„Das ist vielleicht die schönste Wanderung, die ich je in den Allgäuer Alpen gemacht habe“, sage ich zu meiner Wanderfreundin, als wir wieder am Vilsalpsee sind. Es sind 30 Grad und nach 17 Kilometern Wanderung ist ein kühles Bad der perfekte Abschluss. Der Bergsee ist einer von vier Seen auf dem Wanderweg. Die lange Wanderung durch das Allgäu und das Tannheimer Tal führt an vier schönen Seen vorbei: dem Vilsalpsee, dem Schrecksee, der Lache und dem Traualpsee.
Früher Start am Vilsalpsee
Wir sind heute Morgen früh aufgestanden und losgegangen. Erstens, weil wir so den anstrengenden Anstieg zu Beginn der Wanderung noch weitgehend im Schatten bewältigen konnten. Zweitens, weil die Straße zum Parkplatz am Vilsalpsee bis 8 Uhr befahrbar ist. So wandern wir früh am Ostufer des Vilsalpsees entlang zur Vilsalpe. Ab hier beginnen die Höhenmeter. Auf einem steilen Pfad wandern wir dem Grat mit markanten Gipfeln wie dem Rauhorn und dem Gaishorn entgegen. Vor dem Gaiseckjoch biegen wir auf den Jubiläumsweg ab: der Weg, der unter dem Grat hindurchführt und dem wir auf unsererer Wanderung bis zum Schrecksee folgen können. Es besteht auch die Möglichkeit, über den Grat mit dem Rauhorngipfel zu wandern; dies verlängert die Tour um ca. 1,5 Stunden (Achtung: sehr alpine und ausgesetzte Route mit Schwierigkeitsgrad T5).
Wanderung über den Jubiläumsweg zum Schrecksee
Wir wandern unterhalb der Berggipfel, an der Flanke des Geröllhangs. Die Aussicht ist herrlich: links liegt der Vilsalpsee in der Tiefe, rechts ragt das Rauhorn über uns und vor uns das Panorama der Allgäuer Alpen. Nach etwa 1,5 Stunden erreichen wir die Hintere Schafswanne. Hier stehen wir auf dem Kamm zwischen dem Rauhorn und dem Kugelhorn und und queren die Grenze von Tirol ins Allgäu. Vor uns in der Tiefe liegt das Sackgassental des Bergdorfes Hinterstein und dahinter erheben sich die westlichen Allgäuer Alpen mit dem Großen Daumen und der Rotspitze. Wir überqueren das Joch und wandern dann auf der anderen Seite des Bergrückens weiter. Hier wird der Weg ein wenig anspruchsvoller. Der schmale Pfad verläuft entlang der Bergflanke und ist an mehreren Stellen mit Drahtseilen und Metallstufen versehen. Wir halten uns gut fest, denn zu unserer Rechten befindet sich ein steiler Abgrund und der Weg ist wegen der kleinen Bäche manchmal recht rutschig. Diejenigen, die so etwas mögen, werden sich freuen. Wir auch.
Wir konzentrieren uns auf den Weg, halten aber immer wieder inne, um die Aussicht zu genießen. Und dann erblicken wir zum ersten Mal auf unserer Wanderung den Schrecksee. Dieser Bergsee gilt als einer der schönsten in den Allgäuer Alpen und ich kann verstehen, warum. Zwischen leuchtend grünen Berggipfeln liegt der blaue Bergsee mit einer bizarren, fast sternförmigen Form. In der Mitte befindet sich eine kleine Insel mit Sträuchern.
Baden im Schrecksee, Kleinod in den Allgäuer Alpen
Fast horizontal gehen wir auf den See zu. Wir beschleunigen unseren Schritt; wir können es kaum erwarten, ins Wasser zu hüpfen. Je näher wir kommen, desto mehr Berggipfel werden hinter dem Bergsee sichtbar. Unsere Wanderroute führt eigentlich weiter an der Bergflanke entlang, aber wir steigen steil zum Schreckseeufer ab. Schnell tauschen wir unsere Wanderkleidung gegen Badesachen und tauchen in das frische Bergwasser. „Uuhh!“, rufe ich aus. Auf 1800 Metern ist das Wasser viel kälter als im Tal. Ich schwimme zur Insel und wieder zurück, dann kribbelt es in den Zehen. Auf einem Felsen am Ufer trocknen wir uns in der Sonne und essen unsere Brotzeits. Ich wollte schon so lange zum Schrecksee wandern und jetzt, wo ich dort bin, übertrifft die Realität alle meine Erwartungen!
Ein kleiner Hinweis auf etwas, das mir sehr am Herzen liegt. Diese Wanderung führt mitten durch das Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen und das Naturschutzgebiet Vilsalpsee. Beide Gebiete sind Naturschutzgebiete, weil sie Lebensraum für viele – zum Teil besondere und seltene – Tiere und Pflanzen sind. Benimm dich daher wie ein guter Gast: Bleib auf den Wegen, nimm deinen Müll mit (auch Bioabfall!), mach keinen Lärm und lass die Pflanzen/Blumen stehen, wo sie sind. Zelten und Feuermachen sind verboten. Vor allem der Schrecksee ist in den letzten Jahren sehr beliebt geworden. Logisch, denn es ist ein wunderschöner Bergsee. So verlockend es auch sein mag, bei Sonnenaufgang, Sonnenuntergang oder in der Nacht hier zu sein: Tu es nicht. Damit stört man die Ruhe der Tiere und der Natur, die sie so dringend brauchen.
Blick auf eine „Sammlung genialer Berge“
Wir hätten wahrscheinlich noch stundenlang bleiben können. Aber wir sind erst acht von insgesamt 17 Kilometern gewandert, also wird es Zeit, weiterzugehen. Wir gehen zurück zur Route und weiter am Berghang entlang zum Kirchendachsattel. Ich liebe diese Art von Wanderungen. Da wir immer wieder Sattel überqueren, ändern sich die Aussichten ständig. Und wieder. Wir verlassen die frischgrünen Berge rund um den Schrecksee und tauschen sie gegen imposante Kalksteinfelsen. Mit der Roten Spitze und der Steinkarspitze in Sichtweite wandern wir auf felsigen Pfaden ostwärts. Trotz der Hochsaison treffen wir nur wenige andere Wanderer auf dem Weg. Als wir eine weitere Kurve um einen Berg machen und sich die Aussicht wieder völlig verändert, beschließen wir, auf einer Bergwiese eine Weile zu chillen. „Es ist einfach eine Sammlung von genialen Bergen hier“, seufzt meine Wanderfreundin. Sie blickt zu den Bergen, die die Grenze zwischen dem Allgäu und Tirol bilden. Einer der markantesten Gipfel ist der des Hochvogels mit 2592 Metern. Da alle Berggipfel in seiner Nähe 200 bis 300 Meter niedriger sind, ist dieser Berg oft gut zu sehen, und außerdem ist die Geschichte des reißenden Gipfels vielen bekannt.
Abstieg zur Landsberger Hütte und Lache
Schweigend bestaunen wir das Alpenpanorama minutenlang. „Hast du auch Durst?“, unterbricht meine Wandergefährtin die Stille. Bei diesen Sommertemperaturen kann ich diese Frage nur bejahen. Wir haben beide die Hitze etwas unterschätzt, und unser Wasservorrat fällt eher knapp aus. Zum Glück kommen wir gegen Ende der Wanderung an mehreren Hütten und Almen vorbei. Wir wandern zum Westlichen Lachenjoch und sehen von dort aus unsere erste Trinkgelegenheit: die Landsberger Hütte. Auf einem kurvenreichen Weg steigen wir ab mit Blick auf die Hütte, die unterhalb der imposanten Lachenspitze liegt. Hinter der Hütte liegt der dritte See auf unserer Wanderroute: die Lache.
Kuchen auf der Alm am Traualpsee
Wir lassen die vollbesetzte Terrasse der Landsberger Hütte hinter uns und wandern zügig weiter zum nächsten See. Am Ufer des Traualpsees chillen Alpakas auf der Wiese. Nicht viel weiter steht wälzt sich auch eine Herde Kühe und einige Schweine rollen im Schlamm. All diese Tiere gehören zur Oberen Traualpe, einer Alm, auf der Käse und Speck hergestellt werden. Und Kuchen. Mit Blick auf den türkisfarbenen See genießen wir einen leckeren hausgemachten Johannisbeerkuchen und Nusstorte. Dann steigen wir weiter auf einem steilen Pfad durch den Wald ab, bis wir wieder den Vilsalpsee erreichen. Mittlerweile ist uns wieder so warm, dass wir keine Sekunde am Ufer warten und sofort in den See hüpfen. Der perfekte Abschluss einer Wanderung entlang von vier Bergseen!
Wanderung zum Schrecksee und drei weiteren Seen in den Allgäuer Alpen
- Distanz: 17,4 km
- Höhenmeter: ↗ 1060 m ↘ 1060 m
- Schwierigkeitsgrad: T2. Einige Passagen auf schmalen Bergpfaden entlang eines steilen Abhangs, manchmal rutschig, teilweise mit Drahtseilen versichert.
- Gehzeit: 6-7 Stunden.